Die Geschichte der Edekafrauen


Als wir damals aufs Land zogen, fielen sie mir bald auf: Unsere Küche mit mehreren Fenstern zur Hauptsraße gab den Blick frei auf die Edekafrauen, die tagtäglich tröpfchenweise zum Dorfladen liefen. Mit Kittelschürzen, altmodischen Einkaufstaschen, mit Lockenwicklern in den Haaren hielten sie manchmal ein Schwätzchen direkt vor unserem Hof, in der Hand Zeugnis ihres Einkaufes: Das Waschmittel, die Zeitung, die Brötchentüte, der Bückling oder das Portemonnaie.

Edekafrau Nr 001Edekafrau Nr. 002Die ersten beiden Exemplare unter Anleitung meines Mannes in Linde geschnitzt, großbusig und kleinköpfig, muten mir jetzt sehr archaisch an. Ihr Gesichtsausdruck aber hatte schon damals eine gewisse Ernsthaftigkeit, eher ein Alltagsgesicht als ein Zahnpastalächeln. Die zweite bekam Füße, sie gefielen mir nicht und deshalb ließ ich sie fortan im Block stecken, um ihre Verbundenheit zum Dorf zu zementieren. Beide Figuren stehen etwas angestaubt im Flur unseres Hauses und haben Fetischcharakter.

Unser Dorfladen ist nun schon einigen Jahren geschlossen. Die Zahl der Figuren, die ursprünglich auf hundert begrenzt war, hat sich inzwischen versechsfacht. Längst sind die Holzskulpturen nicht mehr ausschließlich ländlich geprägt: Es gibt mondäne Frauen mit Designertaschen, Kleptomaninnen,Tierfreundinnen, Rollifahrerinnen und Putzdominas.

Manche setzen sich auf dem Weg zum Einkauf aktiv für politische Belange, Glaubens- und Lebensfragen ein. In Zeiten der Finanzkrise wurde sparsam eingekauft, mit tiefem Blick in den Geldbeutel. Fukushima hat auch die Edekafrauen verändert und sie fordern den Eintritt in die Energiewende. So spielen das Alltags- und Weltgeschehen mir immer neue Ideen zu, von denen ich einst fürchtete, sie könnten mir ausgehen.